Dienstag, 11. September 2012

die unbekannte

eine schwindelerregende minute lang hat anna die welt um sich vergessen. die musik, der tiefe bass dröhnen in ihrem bauch, ihre arme schlingern, die nackten füsse stampfen fest auf den grund. unzählige arme, beine und bäuche mäandern um sie herum, während sich langsam, wie in zeitlupe, zwei nackte oberarme, ein ausgewaschenes tanktop und ein paar rhythmische beine in weiten weissen hosen scharf stellen in ihrem blick. ein lächeln huscht herüber und langsam bewegt sich die figur näher zu ihr hin bis sie ganz nah vor anna tanzt, so dass sie fast ihre körperwärme zu spüren glaubt.
anna greift ihren rhythmus auf, ihre arme beginnen aneinander entlangzugleiten, die hüften wiegen sich miteinander, spiralförmig im flackernden licht des clubs.
annas wunde am arm wird geschützt durch einen etwas schiefen verband, den sie sich selbst mit der gesunden linken hand befestigt hat. mehrere krumme pflaster sollten ihn festhalten, aber der mullstoff beginnt zu rutschen. sie fühlt sich ungeschützt, verletzbar. ausserdem juckt das heilende, wieder zusammenwachsende fleisch.
anna wagt einen blick ins gesicht der frau, die so offensiv auf sie zutanzt. sie hat ihre augen geschlossen, ihre hände greifen nach annas händen und nehmen sie mit in ihre fliessende bewegung. ihre lippen sind schmal, wellenförmig und leicht geöffnet. etwas ruhendes, befreites liegt in ihrem ausdruck. sie öffnet die augen und sieht anna direkt an. weiche wache braune augen wie die eines fuchses auf der pirsch blicken sie an, wandern an ihr entlang, lächeln und schliessen sich wieder.
sie zieht anna noch etwas näher zu sich heran. ihre bäuche brüste wangen liegen nah aneinander während sie wie verschmolzen eine bewegung tanzen. der laute beat weht über sie hinweg, längst haben sie sich von der schnellen masse der tänzer um sie herum gelöst. sie tanzen ihren eigenen rhythmus. atmen tief mit den bäuchen, berühren zart haut an haut, arme, haare, lippen.
"du bist schön!" haucht die fremde frau in annas ohr. sie löst sich langsam, hebt annas arm an und drückt einen zarten kuss auf den verband. dann ist sie verschwunden.
anna spürt wie sie angestarrt wird von männern, von frauen. grosse lüsterne augen folgen ihr als sie sich zum rand der tanzfläche bewegt und sich auf die kissen fallen lässt. lang streckt sie sich aus, liegt da und spürt den bewegungen nach. etwas flüssiges heisses pocht in annas körper. etwas das sie längst vergessen hatte. leben. lieben. lebendig sein.
"wie heisst du?" wollte sie noch fragen. aber die frau ist weg.

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